Wissen(schaft) für alle: FRUITLESS – weniger Fruchtzucker, weniger Leberfett?

Es wird schon seit langer Zeit diskutiert, ob Fruchtzucker einen besonders negativen Effekt auf die Verfettung der Leber hat. Aber hat die Reduktion von Fruktose den umgekehrten Effekt und führt zum Abbau von Leberfett?

Genau der Frage ist die Arbeitsgruppe um Nynke Simons von der Universität Maastricht in der FRUITLESS-Studie (2021) nachgegangen und hat auch untersucht, ob Glukose (Traubenzucker) womöglich besser ist.

Wer wurde untersucht?

Es wurden insgesamt 37 übergewichtige Erwachsene mit einem Body-Mass-Index über 30 und einem Fettleberindex° von >60 untersucht. Sie waren im Durchschnitt über 50 Jahre alt.

Zur Erklärung:
° Der Fettleberindex (kurz: FLI) kann mittels eines Algorithmus aus vier Werten ermittelt werden und spiegelt die Wahrscheinlichkeit einer Leberverfettung mit einer Genauigkeit von über 80 % wider.
Die vier Werte sind der Body-Mass-Index, der Taillenumfang (gemessen auf Bauchnabelhöhe) und die zwei Blutwerte Gamma-GT und Triglyzeride. Online kann jede*r den FLI kostenlos machen – beispielsweise auf der Seite von leberfasten.com. Ist der FLI unter 30 liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Leberverfettung vor, liegt er über 60, gibt es eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Leberverfettung. Bei einem FLI von 30–60 befindet man sich im Graubereich und eine Sonographie bei Ärzt*innen wird empfohlen, um Genaueres herauszufinden.

 

Was wurde untersucht?

Primäres Ziel der sechswöchigen Studie war es, den Effekt einer Fruktosereduktion auf den Gehalt des Leberfettes zu untersuchen.
Zusätzlich sollte auch untersucht werden, ob die Reduktion der Fruktose dazu führt, dass sich die Cholesterin- bzw. Fettwerte im Blut und die Toleranz der Leber gegenüber Glukose verändern, denn diese spielen allesamt auch bei einer Leberverfettung eine Rolle.

 

Wie wurden die Teilnehmer*innen untersucht?

Sie wurden zufällig°° in zwei Gruppen unterteilt: Beide Gruppen haben eine Basiskost bekommen, die fruktosearm war (<7,5 g Fruktose/Mahlzeit und <10 g Fruktose/Tag). Zusätzlich haben beide Gruppe eine Zucker-Ergänzung bekommen: Die eine Gruppe (Interventionsgruppe°°°) hat eine Glukose-Ergänzung bekommen, die andere Gruppe (Kontrollgruppe°) eine Fruktose-Ergänzung. In beiden Gruppen betrug die Menge 45 g/Tag. Diese Menge entspricht der durchschnittlich in den Niederlanden verzehrten Fruchtzuckermenge.
Die Teilnehmer*innen hatten die Aufgabe jeweils ein Drittel der Tagesportion (15 g) in Wasser gelöst zu jeder der drei Hauptmahlzeiten zu sich zu nehmen. Keine Teilnehmer*innen wussten, in welcher Gruppe sie waren, das heißt, ob sie eine Glukose- oder Fruktose-Lösung tranken. Sie waren also „blind“. Ebenfalls „blind“ waren die Forscher*innen, denn sie wussten nur durch Codes, wer was bekam. Diese Art der Untersuchung nennt man doppel-blind°°°°.
Um den Gehalt an Leberfett und dessen Veränderung zu messen, wurde eine Magnet-Resonanz-Spektroskopie bei den Teilnehmer*innen durchgeführt. Dieses Verfahren ist genauer als der o. g. Fettleberindex. Außerdem wurde zu Beginn und dann in Woche 2, 4 und 6 der Fruktosegehalt im Urin gemessen, um einen objektiven Wert für den Fruktosekonsum zu haben (zusätzlich zur subjektiven Angabe durch Ernährungsprotokolle und Befragung).

Zur Erklärung:
°° Die Bedeutung der zufälligen Zuordnung wurde schon in unserem Blogpost "WISSEN(SCHAFT) FÜR ALLE: VERGRÖSSERN DER KÖRPERGOLDMASSE" beschrieben.
°°° In Studien werden meist zwei oder mehrere Dinge miteinander verglichen. Die Gruppe, in der etwas anders gemacht wird als bisher, wird Interventionsgruppe genannt. Die Gruppe, in der nichts geändert wird, nennt man Kontrollgruppe.
Mit diesem Vergleich wird untersucht, ob ein möglicher Effekt (hier Abbau des Leberfettes) an den verschiedenen Zuckerarten liegt – oder eine andere Ursache hat.
°°°° Der Vorteil von doppel-blind aufgebauten Studien ist, dass so das Risiko einer Verzerrung der Ergebnisse minimiert werden kann. Eine Verzerrung kann (mit oder ohne Absicht) auftreten, wenn die Teilnehmer*innen oder die Forscher*innen wissen, was die Teilnehmer*innen bekommen.

 

Was kam raus? Was sind die Ergebnisse?

Die Autor*innen bringen es in der Studie kurz und knapp auf den Punkt: Innerhalb jeder Gruppe wurde in den sechs Wochen Leberfett reduziert. Im Vergleich beider Gruppen miteinander war der Abbau des Leberfettes in der Gruppe, die auf Fruktose verzichtete (Interventionsgruppe), allerdings statistisch signifikant größer – wenn auch nur geringfügig.
Bezüglich eines Effektes der beiden Zuckerarten Fruktose und Glukose auf die Fett- und Cholesterinwerte im Blut sowie auf die Glukosetoleranz der Zellen fand man keine Unterschiede. Letzteres wunderte die Autor*innen, da der Abbau von Leberfett in anderen Studien mit der Verbesserung von Fett- und Cholesterinwerten im Blut sowie der Glukosetoleranz einhergingen. Als mögliche Erklärungen für den hier ausbleibenden Effekt werden die Messmethoden und auch die zu kurze Dauer von nur sechs Wochen genannt.
Aufgrund des nur kleinen gefundenen Unterschieds zwischen den Gruppen hinsichtlich des Leberfettabbaus führen die Autor*innen mehrere mögliche Gründe an. Unter diesen finden sich die kleine Gruppengröße (Anmerkung: Es ist statisch schwerer in kleinen Gruppen einen Unterschied zu finden) und dass die Teilnehmer*innen möglicherweise vor Studienbeginn gar nicht viel Fruktose zu sich nahmen und daher der Körper nicht die typischen Effekte eines starken Abbaus (durch Verzicht von Fruktose innerhalb der Studie) zeigte. Und dann könnte es auch sein, dass die Zuckerlösungen möglicherweise nicht den gleichen Effekt auf den Körper haben wie Fruktose aus natürlichen Lebensmitteln.
Es bleibt also noch viel Interpretationsspielraum, obgleich zu betonen ist, dass die Studie einen guten Aufbau hat und auch die erste ihrer Art ist, die zwei Zuckerarten in der gleichen Menge (also auch gleichen Kalorienmenge) miteinander vergleicht. Zuvor wurden meist Studien veröffentlicht, die Fruktose zum normalen Essen der Teilnehmer*innen ergänzten und den Fokus auf den Aufbau von Leberfett legten.

Möchtest du einen Blick in die Originalstudie werfen und noch mehr über sie lesen? Die englischsprachige Arbeit von Simons et al. (2021) ist öffentlich einsehbar.

 

Und was bedeutet das?

Zum einen bedeutet es, dass die Veränderungen im Körper länger brauchen (können) als sechs Wochen. Das kenne ich auch aus der Praxis – und es wird damit noch einmal deutlich, dass einige (aber nicht alle) Menschen Geduld brauchen, um Fortschritte zu sehen! Bei anderen springt der Körper hingegen schnell auf eine optimierte Ernährung an. Zum anderen bedeutet es auch, dass die Reduktion jeder Art von Zucker zum Abbau des Leberfettes führen kann.

  

(Heike Niemeier)

 


Quelle: 
Studie "Effects of fructose restriction on liver steatosis (FRUITLESS); a double-blind randomized controlled trial"  / Simons et al. (2021)


 Bild: © silviarita / pixabay.com 

Mittwoch, 23 Juni 2021 05:46