Wer wurde untersucht?
In diese randomisierten, kontrollierten Studien* wurden jeweils 10 gesunde Männer und Frauen mit einem durchschnittlichen Alter von 31,2 Jahren und durchschnittlichem Body-Mass-Index von 27 mit einbezogen.
Zur Erklärung: * Was sich hinter randomisierten, kontrollierten Studien verbirgt, haben wir in unserem letzten Blogpost aus der Kategorie Essen als Medizin „VERGRÖSSERN DER KÖRPERGOLDMASSE“ erklärt.
Was wurde untersucht?
Diäten können aufgrund der empfohlenen Lebensmittel, ihrer Nährstoffrelationen (also bezüglich ihrer jeweiligen Anteile an Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten), aber auch aufgrund des Verarbeitungsgrades der Lebensmittel unterschieden werden. Für letzteres gibt es die sogenannte NOVA-Skala**.
In dieser Studie wurden unverarbeitete Lebensmittel mit hochverarbeiteten verglichen, um deren Einfluss auf die Kalorienaufnahme und auch Gewichtsentwicklung zu untersuchen.
Die Gruppe der 20 Teilnehmer*innen wurde dafür getrennt.
- Gruppe 1: Diese Gruppe hat in den ersten zwei Wochen hochverarbeitete Lebensmittel gegessen und direkt im Anschluss unverarbeitete Lebensmittel erhalten.
- Gruppe 2: In dieser Gruppe wurden in den ersten zwei Wochen unverarbeitete Lebensmittel gegessen, bevor ebenfalls direkt im Anschluss das hochverarbeitete Essen verzehrt wurde.
Zur Erklärung: Dieses Studiendesign, in der beide Gruppen abwechselnd beide Interventionen bekommen (hier: die unterschiedlichen Diäten), nennt sich Crossover-Design. Von Vorteil ist bei diesem Design, dass auch bei wenigen Teilnehmer*innen (wie in dieser Studie) Unterschiede nachgewiesen werden können.
Alle Teilnehmer*innen in beiden Gruppen durften ad libitum essen; das heißt, es wurde keinerlei Kalorienlimit gesetzt. (Anmerkung: Das kommt dem echten Leben der meisten Menschen sehr nah, wodurch die Studie an Realitätsnähe gewinnt.)
Zur Erklärung:
** Die NOVA-Skala unterscheidet:
- (1) Unverarbeitete oder minimal verarbeitete Lebensmittel
Hiermit sind unverarbeitete pflanzliche als auch tierische Lebensmittel gemeint – zum Beispiel Wurzeln, Blätter (Salat), Samen (Nüsse), Früchte und auch Fleisch, Eier, Milch sowie Pilze, Algen und Wasser. - (2) Verarbeitete Küchenzutaten
Dazu gehören beispielsweise Öle, Butter, Salz. - (3) Verarbeitete Lebensmittel
Sie werden durch Zutaten der Gruppe (2) aus Lebensmitteln der Gruppe (1) zubereitet, zum Beispiel Gemüse in Gläsern, Obstkonserven, Brot, Käse. - (4) Hochverarbeitete Lebensmittel und Getränke
Produkte, die durch Weiterverarbeitung aus Lebensmitteln der Gruppe (1) hergestellt wurden. Dabei sind Zusatzstoffe oder weiterverarbeitete Lebensmittelbestandteile eingesetzt worden (zum Beispiel Sojaproteinisolat, Maltodextrin, Maissirup, Invertzucker).
Lebensmittel dieser Gruppe haben als Charakteristikum laut Openfood-Text „Rezepturen, die größtenteils oder vollständig aus Inhaltsstoffen von Lebensmitteln und Zusatzstoffen hergestellt werden, mit wenig oder gar keinen unbehandelten Lebensmitteln der Gruppe 1“.
Alle Details finden Sie unter diesem Link zur Erläuterung der Gruppeneinteilung in der NOVA-Skala.
Wie wurden die Teilnehmer*innen untersucht?
Innerhalb der zwei Wochen jeder Phase wurden zu verschiedenen Zeitpunkten die Körperzusammensetzung mit der „Dual Energy X-ray Absorptiometry“ (kurz: DXA), das Leberfett mit der Magnetresonanzspektroskopie (kurz: MRS oder MRI) und die Blutwerte (nüchtern) untersucht sowie ein oraler Glukosetoleranztest (kurz: oGTT) durchgeführt.
Dadurch kann man die Veränderungen im Gewicht genauer einordnen, denn es ist relevant für die Gesundheit, ob eine Gewichtszunahme aufgrund von mehr Muskelmasse (wünschenswert) oder Fettmasse (nicht wünschenswert, mit Ausnahme bei Untergewichtigen) erfolgt. Zudem kann durch die MRS/MRI auch bei gleichbleibendem Gewicht eine Verfettung von innen durch Einlagerung von Fett in der Leber erkannt werden.
Zu den erhobenen Blutwerten gehörten in dieser Studie neben den Parametern für den Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel auch die der Hormone, die unseren Hunger und die Sättigung regulieren (PYY, Ghrelin, Adiponectin, GLP, GIP und andere).
Was kam raus? Was sind die Ergebnisse?
Das Essen von hochverarbeiteten Lebensmitteln führte dazu, dass durchschnittlich 508 kcal (+/- 106 kcal) mehr am Tag gegessen wurde und es zu einer Gewichtszunahme von etwa einem Kilo führte (900 g, +/- 300 g). Dabei spielten das Geschlecht und der Body-Mass-Index keine Rolle. Irrelevant für die Gewichtszunahme war auch, ob man in Gruppe 1 oder Gruppe 2 war (siehe oben), das heißt erst die unverarbeiteten und dann das hochverarbeitete Essen aß oder andersherum. Das Essen von hochverarbeiteten Lebensmitteln führte stets zur Gewichtszunahme.
Das Mehr an Kalorien kam vor allem aus Kohlenhydraten und Fetten – und nicht aus Eiweißen (Proteinen). Das kann entweder daran liegen, so die Autor*innen, dass hochverarbeitete Lebensmittel meist wenig Eiweiß enthalten und/oder die sogenannte Protein-Leverage-Hypothese griff. Diese besagt, dass der Körper vorrangig seinen Eiweißbedarf decken möchte, so dass es bei proteinarmen (aber dafür kohlenhydrat- und fettreichen) Lebensmitteln zu einer vermehrten Aufnahme von Kohlenhydraten und Fetten kommt.
Anmerkung: Und wer uns folgt, weiß bereits, dass Eiweiß eine starke, sättigende Wirkung hat. Wenn wenig Eiweiß im Essen ist, kann das daher zum Überessen führen.
Die Autor*innen konnten auch zeigen, dass die Gewichtszunahme vorrangig durch die Zunahme an Körperfettmasse kam. Diese war in der ersten der zwei Wochen mit hochverarbeiteten Lebensmitteln noch gering, und stieg dann in der zweiten Woche an.
In dieser Studie wurden keine statistisch relevanten, das heißt signifikanten, Unterschiede bzgl. der Nüchternglukose oder der Einlagerung von Fett in der Leber festgestellt. Das kann unter anderem daran liegen, dass die Aufnahme von Kohlenhydraten sich in beiden Gruppen kaum unterschied. Signifikante Unterschiede gab es aber im Tempo-Vergleich: Es wurde mehr Gramm pro Minute und auch mehr Kalorien pro Minute durch hochverarbeitete Lebensmittel verzehrt.
Anmerkung: Möglicherweise liegt es daran, dass sie sowieso energiedichter (Kalorien pro Gramm) sind oder dass sie weniger gekaut und schneller geschluckt werden können.
Interessant ist, dass sich die Werte des appetitunterdrückenden Hormons PYY und auch des hungerstimulierenden Hormons Ghrelin innerhalb der Gruppe mit den unverarbeiteten Lebensmitteln veränderten: Das PYY wurde verstärkt ausgeschüttet und das Ghrelin weniger stark. Die Personen, die die unverarbeiteten Lebensmittel aßen, hatten also weniger Appetit und weniger Hunger! Und diese Gruppe hatte auch eine Gewichtsabnahme von etwa einem Kilo pro Woche (900 g, +/- 300 g) – also genauso viel wie die durch hochverarbeitete Lebensmittel zugenommen wurde.
Viele weitere Ergebnisse sind in dieser interessanten Untersuchung noch beschrieben. Wenn du sie lesen möchtest, findest du sie in der (englischsprachigen) Originalstudie von Hall et al., (2019).
Und was bedeutet das?
In der Auswahl von unverarbeiteten Lebensmitteln ist ein Geheimnis zu finden, dem die Wissenschaft mehr und mehr auf die Spur kommt. Und auch dem unangenehmen Nebeneffekt von hochverarbeiteten Lebensmitteln bezüglich der Gewichtszunahme kommt man näher.
Wir von essenZ setzen in unseren Rezepten schon lange auf unverarbeitete und minimal/wenig verarbeitete Lebensmittel, wie beispielsweise Tomaten aus der Dose. Denn einerseits sind wir davon überzeugt, dass sie meist besser (weil natürlicher und echter) schmecken und andererseits auch, dass man kein Kochprofi sein muss, um aus diesen Lebensmitteln etwas Leckeres zu kochen.
Trotz mangelnder wissenschaftlich nachgewiesener Kausalität lagen wir also richtig mit der Vermutung, dass die unverarbeiteten Lebensmittel besser für die Gesundheit sind. Diese hochwertige Studie unterstützt unser Vorgehen. Wenn die Wissenschaft das Geheimnis nun zunehmend lüftet, bekommen wir zusätzlichen Rückenwind.
Hast du Lust auf gutes Essen bekommen? Hier findest du unsere Rezepte: www.essenZ.hamburg/rezepte
Und wenn du wissen möchtest, welche Kraft noch so im Essen steckt, dann ist mein Buch „Essen gut, alles gut“ vielleicht etwas für dich!? Auf thalia.de kannst du lesen, was andere Leser*innen von dem Buch halten.
Noch mehr über echte und falsche Lebensmittel findest du in diesem Buch: „Real Food – Fake Food“ oder aber in der Kategorie FAKE FOOD UND REAL FOOD unseres Blogs.
(Heike Niemeier)
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