Diese Seite drucken

Wissen(schaft) für alle: Fake Food und Krebsrisiko

Der Blogbeitrag enthält unaufgeforderte und unbezahlte "Werbung" wegen Buchtitelnennung.

Hochverarbeitete Lebensmittel sind Fake Food, denn sie sind durch die verschiedenen und teilweise zahlreichen Verarbeitungsschritte weit weg von einem natürlichen Lebensmittel. In dieser Studie von Fiolet et al. (2018) aus Frankreich wurde die Verbindung (Assoziation) zwischen dem Verzehr der hochverarbeiteten Lebensmittel und der Entstehung von Krebserkrankungen untersucht.

Wer wurde untersucht?

104.980 Menschen zwischen 18 und 73 Jahren (50 % von ihnen war jünger und 50 % älter als oder gleich 43 Jahre), von denen 78,3 % Frauen waren, wurden im Rahmen der „French NutriNet-Santé“-Studie im Zeitraum von 2009–2017 untersucht. Die Studie ist eine fortlaufende web-basierte Befragung, die den Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit genauso wie das Essverhalten und den Ernährungsstatus untersucht.

 

Was wurde untersucht?

Untersucht wurde die Assoziation* zwischen der Entstehung von Krebs (alle Krebsarten sowie speziell auch Brust-, Prostata- und Kolorektalkrebs) und den verzehrten Lebensmitteln, wobei der Verarbeitungsgrad der Lebensmittel im Fokus stand.
Um den Verarbeitungsgrad zu klassifizieren, wurde die NOVA-Skala genutzt, die du im vorangegangen Blogpost „WISSEN(SCHAFT) FÜR ALLE: ECHTES ESSEN FÜR DIE GEWICHTSABNAHME“ schon kennenlernen konntest (und über die wir im kommenden Monat noch schreiben werden im Blogpost "DAS NOVA-SYSTEM – QUALITÄT STATT QUANTITÄT!"). Hochverarbeitete Lebensmittel, um die es in dieser Studie geht, gehören zur Kategorie 4 der NOVA-Skala. Natürliche, unverarbeitete Lebensmittel gehören zur Kategorie 1.


Zur Erklärung:

* Eine Assoziation beschreibt nur eine Beziehung zwischen zwei Dingen (statistisch nennt man es Variablen), die beobachtet wurden. In dieser Studie sind es die Entstehung von Krebs und der Verzehr hochverarbeiteter Lebensmittel. Wichtig ist aber zu wissen, dass man aus einer Assoziation (auch Korrelation genannt) keine Kausalität ableiten kann. Bei einer Assoziation kann die eine Variable die andere bedingen, aber es können auch viele andere Variablen, die nicht untersucht wurden, zu der Veränderung führen.
Wenn von Kausalität gesprochen wird, beschreibt man, dass die Veränderung der einen Variable die Veränderung der zweiten Variablen direkt verursacht. Man spricht dann auch vom Ursache-Wirkung-Effekt.
Ein Beispiel: Man kann als Assoziation beschreiben, dass viele Feuerwehrwagen auf der Straße zu sehen sind, wenn es einen Waldbrand gibt. Aber man kann nicht sagen, dass die Feuerwehrwagen die Waldbrände direkt verursacht haben.

 

Wie wurden die Teilnehmer*innen untersucht?

Beginnend in 2009 füllten die Teilnehmer*innen alle 6 Monate ein 24-Stunden-Protokoll aus, wobei 2 Wochentage und 1 Wochenendtag erfragt wurden. Die 3.300 Lebensmittel, die in dem elektronischen Protokoll hinterlegt zur Auswahl standen, waren nach der NOVA-Skala vorsortiert.
Außerdem gaben sie die Entwicklung von Erkrankungen und andere die Gesundheit betreffende Faktoren an.

 

Was kam raus? Was sind die Ergebnisse?

Da verschiedene Faktoren die Krebsentstehung beeinflussen, wurden diese in der Studie statistisch adjustiert, das heißt einfach ausgedrückt „herausgerechnet“. Das ist ein gängiges Verfahren, denn dadurch kann man auch alte und junge Menschen miteinander vergleichen, obgleich ältere Menschen ein höheres Erkrankungsrisiko für Krebs haben.
Weitere Einflussfaktoren, für die in dieser Studie die Daten adjustiert wurden, sind neben dem Alter der Body-Mass-Index, Geschlecht, körperliche Aktivität, Energieaufnahme, familiäre Krebsgeschichte und auch der Bildungsgrad. Zusätzlich wurde im Fall von Brustkrebs auch die Anzahl der Kinder, Menopause (Wechseljahre) und hormonelle Behandlung der Menopause adjustiert.

Die Arbeitsgruppe von Herrn Thibault Fiolet fand heraus, dass mit 10%iger Steigerung des Verzehrs von hochverarbeiteten Lebensmitteln es zu einer Risikosteigerung von 10 % oder mehr für die verschiedenen Krebserkrankungen kommt.

Wir wollen hier ja die essenZ der Studie beschreiben. Wenn dich weitere Details dieser interessanten Studie interessieren, dann findest du hinter dem Link die englischsprachige Originalstudie aus dem British Medical Journal.

 

Und was bedeutet das?

Die Autor*innen geben limitierend zu bedenken, dass die Studie nicht generalisierbar für alle ist, da der Frauenanteil mit 78,3 % sehr hoch ist und dieser dazu auch ein gesundheitsbewußteres Verhalten und einen höheren Bildungsgrad aufweist als der Durchschnitt der französischen Bevölkerung. Beides kann die Auswahl der verzehrten Lebensmittel beeinflussen. Fraglich ist also, ob die Ergebnisse bei einem ausgeglichenen Verhältnis von Männern und Frauen die gleichen wären. Außerdem besteht bei der Art des Ernährungsfragebogens das Problem, dass einige Lebensmittel nicht richtig ausgewählt wurden und es so zu Verzerrungen kommen kann. Und letztlich kann es auch sein, dass einige Krebserkrankungen nicht angegeben werden konnten, weil die Entwicklung häufig einen längeren Zeitraum umfasst.
Trotz der Schwächen dieser Studie – Schwächen sind übrigens normal für jede Studie, nur das Ausmaß der Limitierungen ist unterschiedlich stark – gibt es auch Stärken. Die Autor*innen haben prospektiv – also nach vorn schauend – untersucht, wodurch eine höhere Genauigkeit aufkommen kann. (Der Unterschied dazu wäre retrospektiv zu schauen und dabei gibt es viele Fehler, denn häufig wird vergessen, was man gestern, letzte Woche oder gar letzten Monat gegessen hat. Geht es Ihnen nicht auch so?). Außerdem ist es beeindruckend, wie viele Menschen teilgenommen haben. Mit so einer großen Datenmenge kann statistisch die Größe eines Effektes (hier der Einfluss des Essens auf die Krebserkrankung) besser berechnet werden, als wären nur wenige Menschen befragt worden. Beeindruckend ist es auch, weil so große Studien natürlich viel Geld kosten und nicht häufig so viel finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Zusammenfassend muss man also sagen, dass es einen Zusammenhang geben kann, jedoch weitere Untersuchungen benötigt werden, um eine Ursache-Wirkung-Beziehung herzustellen.
Und bis dahin ist es vielleicht ganz gut, wenn du dich weitestgehend an Lebensmittel aus der Kategorie 1 und 2 der NOVA-Skala satt isst und die hochverarbeiteten Lebensmittel nur ab und zu mal verzehrst.

Und genau mit diesen Lebensmitteln gestalten wir auch unsere Rezepte. Du findest sie auf unserer Website unter www.essenZ.hamburg/rezepte.

Und wenn du wissen möchtest, welche Kraft noch so im Essen steckt, dann ist mein Buch „Essen gut, alles gut“ vielleicht etwas für dich! Auf Thalia.de kannst du lesen, was andere Leser*innen von dem Buch halten.

Noch mehr über echte und falsche Lebensmittel findest du in diesem Buch „Real Food – Fake Food“ oder aber in unserem Blog in der Kategorie FAKE FOOD UND REAL FOOD.

  

(Heike Niemeier)

 


Quellen: 
Studie  "Consumption of ultra-processed foods and cancer risk: results from NutriNet-Santé prospective cohort" – Fiolet et al. (2018)


 Bild: © Rewrite27 / pixabay.com

Mittwoch, 26 Mai 2021 05:30